FUSSBALL VON UNTEN UND VON OBEN
Meine Leidenschaft für Fußball zerfällt in zwei Phasen. Eine kurze auf dem Rasen und eine lange auf der Tribüne. Als Schüler kickte ich in Straßenmannschaften mit gut organisierten Turnieren und in der Jugend des SV Darmstadt 98. Diesem ersten Verein meines Lebens konnte ich in einer schwierigen Situation helfen. Mit Unterstützung des großzügigen Uli Hoeneß konnten wir eine Finanzkrise abwenden. Für die nächste Saison in der zweiten Liga habe ich wieder Dauerkarten gekauft. Mit meinem Spieltalent konnte ich nicht zufrieden sein. Als rechter Verteidiger war ich einfach nicht schnell genug für Vereinsfußball.
Immerhin reichte es zum Mitspielen in Pressemannschaften in Wuppertal, Nürnberg und Düsseldorf. Später in München spielte ich manchmal in so genannten „Prominenten-Mannschaften" für wohltätige Zwecke. Opernsänger, Schauspieler und Journalisten versuchten, sich gegenseitig nicht zu verletzen. Umso spannender verlief meine Karriere als Funktionär. Auf der Tribüne des FC Bayern München, wo ich bei jedem Heimspiel zu finden war, fragte mich im Jahre 1992 Edmund Stoiber, ob ich im Verwaltungsbeirat des Vereins mitwirken wolle. Gern. In diesem ehrenamtlichen Gremium blieb ich vierundzwanzig Jahre. Eine viel gewichtigere Aufgabe konnte ich 2003 übernehmen, als ich bei Gründung der FC Bayern München AG in den Aufsichtsrat berufen wurde. Die neuen Mitglieder hatten wichtige Entscheidungen zu treffen. Zusammen mit so unterschiedlichen Fußballkennern und Temperamenten wie Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge konnte ich daran mitwirken, den FC Bayern München über viele Jahre geschäftlich und sportlich auf höchstem Niveau zu halten und zu einer Weltmarke zu entwickeln.
In diese Zeit fiel der Bau der Allianz-Arena, eine Erfolgsgeschichte ohne Beispiel. Das vereinseigene Stadion ist komplett finanziert, wirft Gewinn ab und ist mit mehr als 70 000 Zuschauern immer ausverkauft. Diese Fußballfans bringen Umsatz und Steuern in die Stadt. Ich betone das ausdrücklich, damit die Widerstände gegen das großartige Projekt nicht vergessen werden. Mit Schaudern denke ich daran, wie kleinkariert eine rot-grüne Koalition diese phantastische Bürgerinitiative behindert und gestört hat. Der Oberbürgermeister, der sich bei dem Münchner Erfolgsclub so wenig wie möglich sehen ließ, war mehr eine Bremse als ein Förderer. Wir mussten uns anstrengen, damit eine Bürgerabstimmung in München die Fußball-Arena nicht zu Fall bringen konnte. Für mich war diese Zeit ein Lehrstück in Kommunalpolitik. Zum Glück haben mutige Unternehmer und ein professionell geführter Verein sich gegen die Verbieteriche und Bedenkenträger durchgesetzt.
Lesen, bis die Augen zufallen
Seit ich als Volksschüler „Ein Kampf um Rom” von Felix Dahn verschlungen habe, lassen mich Bücher nicht mehr los. Meine Interessen und mein Geschmack haben sich gewandelt, aber ich mag kein Buch wegwerfen.
„Das Ergebnis sind zigtausende Bücher in allen Räumen - im Keller und unter dem Dach.“
Literarisch bin ich ein Verehrer von Thomas Mann, sammle seine Romane, seine Briefe und auch alles, was Mitglieder seiner bemerkenswert kreativen Familie geschrieben haben. Als Mitglied des Thomas-Mann-Forums kämpfe ich darum, dass die Stadt München ihm endlich ein Denkmal widmet.
Für Einsteiger empfehle ich die Lektüre von „Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull”. Dort finden sie Sprachkunst und Unterhaltung in brillanter Kombination. In meinem Raum für Politik und Geschichte ist ein Schwerpunkt der Widerstandsgruppe um den 20. Juli gewidmet. Ich kaufe alles zu diesem Thema, zu dem mich vor allem zwei Fragen bewegen. Warum ist der Umsturzversuch gescheitert, und auf welcher Seite hätte ich gestanden, wenn ich ein paar Jahre früher geboren wäre? Von den historischen Politikern bevorzuge ich jene, die gut schreiben können. Dazu zählen Otto von Bismarck und der hoch gebildete Theodor Heuss, der als Chefredakteur einer Tageszeitung in Heilbronn gearbeitet hat, bevor er Bundespräsident wurde. Faszinierend sind auch das Werk und das Leben von Winston Churchill. Viele wissen nicht, dass dieser besessene Politiker einen Nobelpreis erhalten hat – für Literatur.
„Mein lebenslänglicher Kummer ist, dass ich nicht genügend Zeit habe, all die Bücher zu lesen, die ich besitze und kaufe. Erschwerend kommt hinzu, dass ich Bücher zum zweiten Mal lese, die mir früher gefallen haben.“
Ich empfinde anders als vor vierzig Jahren. Deswegen lohnt sich Wiederlesen, so wie ich mir zum zwanzigsten Mal den „Faust” oder „Dantons Tod” oder den geliebten Film „Der dritte Mann” ansehe. Ich entdecke immer Neues und genieße Bekanntes. Das Ergebnis meiner Versäumnisangst ist ein Bett voller Bücher, in denen ich portionsweise lese, bis mir die Augen zufallen. Mein Trost ist ein Wunsch des argentinischen Schriftstellers Jorge Luis Borges. Der hat gesagt, er stelle sich das Paradies wie eine große Bibliothek vor.
TENNIS - PAUSE WEGEN DES WAHLKAMPFES -
Zur Zeit lasse ich mein Tennisdoppel im Stich. Wir spielen seit dreißig Jahren jeden Mittwoch von 13 bis 15 Uhr je nach Wetter auf Sand oder in der Halle, aber ich fürchte falsche Bewegungen. Auch die geschätzten Schleiferlturniere habe ich abgesagt. Es wäre zu ärgerlich, wenn der Landtagskandidat mit Zerrung oder gar Muskelriss mühsam unterwegs wäre.
Früher hatte ich solche Skrupel nicht. Da bin ich bis zur Erschöpfung für den TC Eichenau gelaufen, manchmal sogar bei Medienspielen. Wenn die Chancen für die Mannschaft nahe Null waren, haben sie mich aufgestellt. Eine Heldentat will ich aber nicht verschweigen, zumal sie sogar im Wall Street Journal gerühmt wurde. Im Rahmen eines Gästeturniers bei Iphitos München ist es mir gelungen, den späteren Bundeskanzler Gerhard Schröder in einem dramatischen Match zu besiegen. Der Ehre halber muss ich aber hervorheben, dass der Sieg im Wesentlichen das Verdienst meines Doppelpartners Heinrich von Pierer war, der damalige Vorstandsvorsitzende von Siemens. An der Seite von Gerhard Schröder kämpfte Freiherr von Waldenfels, bayerischer Finanzminister und Präsident des Deutschen Tennisbundes.
Wegen meines im Stich gelassenen Veteranendoppels muss sich niemand Sorgen machen. Wir verfügen seit Jahren über eine lange Liste von Freunden, die gerne einspringen.
Vom Datterich zu Churchill und Johannes Fust
Meine lebenslange Leidenschaft für das Theaterspielen wurde in der Schule geweckt. Mein Deutschlehrer begeisterte mich für das Rezitieren von Gedichten und nahm mir die Scheu vor öffentlichen Auftritten. Mit großem Vergnügen spielte ich Rollen von Aristophanes und Balzac und kümmerte mich auch noch um die Requisiten für unser Schultheater. Es gelang mir, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Wenn der Physiklehrer fragte, wo denn der Schüler Markwort sei, antworteten meine Klassenkameraden wie ein griechischer Chor: „In der Theatergruppe.“ Meine mehr musisch orientierten Lehrer hatten es mir ermöglicht, die Termine selbstständig zu organisieren.
„Wenn ich dann am nächsten Morgen hundemüde in der Schulbank hing, hatte das auch einen Theatergrund.“
Es war mir gelungen, am damals hoch angesehenen Darmstädter Theater in die Statisterie aufgenommen zu werden. Für zwei Mark am Abend hielt ich in „Turandot“ eine halbe Stunde lang krampfhaft eine Fackel hoch oder gab im „Wallenstein“ die Leiche des Helden, der in einem Teppich ungesehen über die Bühne getragen wurde. Viel früher als notwendig erschien ich zu den Proben, weil ich es genoss, die Inszenierungskunst des berühmten Intendanten Gustav Rudolf Sellner zu beobachten.
Höhepunkte meiner Statistenkarriere waren Gastspiele in Offenbach und Aschaffenburg. Dafür gab es fünf Mark, und ich durfte mit den bewunderten Schauspielern im Bus fahren. Nach solchen Ausflügen saß ich noch müder im Unterricht, aber trotz dieser Strapazen legte ich Wert auf die Tatsache, dass ich bis zum Abitur kein einziges Mal sitzen blieb. Wir überlebten auch einen Skandal, weswegen unser Mitschüler und Regisseur Heinz Holzhauer beinahe von der Schule geflogen wäre.
Unabhängig von unserem humanistischen Gymnasium hatten wir ein Stück des „Feuerzangenbowle“-Autors Heinrich Spoerl aufgeführt. Es hieß „Die weiße Weste“ und enthielt Rollen von leichten Mädchen und schrägen Typen. Da wir an unserer Knabenschule einseitig besetzt waren, übernahm ich die reizvolle Aufgabe, an den Mädchenschulen Mitspielerinnen zu gewinnen. Der Ärger erreichte also die ganze Stadt. Das Publikum amüsierte sich, der Autor Spoerl gratulierte uns stolz zur Aufführung seines Alterswerks, aber die Lehrerkollegien entrüsteten sich.
Zeitsprung. Als dreißig Jahre später unser Skandalregisseur Holzhauer, inzwischen Professor und Inhaber eines Jura-Lehrstuhls in Münster, 50 wurde, stellte ich seiner Frau die bekannte Frage, was man ihm denn schenken könne. Antwort: nochmal Theater spielen. Damit ging es los.
Wir trieben in ganz Deutschland das gealterte Ensemble auf und spielten in Westfalen das köstliche Darmstädter Lustspiel „Datterich“. Daraus wurde eine Erfolgsserie. Wo immer einer Geburtstag hatte oder ein Jubiläum zu feiern war, reisten wir hin und gastierten in Darmstädter Mundart. Unsere Tournee führte uns nach Baden-Baden, Bonn, Freiburg, Tübingen, Salzburg, Erfurt, München und natürlich Darmstadt, wo uns jeder verstand. Zu den prominenten Gästen, die unser Ensemble verzierten, gehörten die Politiker Norbert Blüm, Hermann-Otto Solms und Bernhard Vogel, der Schauspieler Günter Strack, die Schriftsteller Robert Stromberger und Martin Mosebach, der Wirtschaftsprofessor Bert Rürup, der Börsen-Interpret Frank Lehmann und der Springer-Chef Mathias Döpfner. Als Höhepunkt unserer Serie empfanden wir ein einwöchiges Gastspiel bei den Festspielen in Bad Hersfeld, wohin uns Dieter Wedel eingeladen hatte. Jede Vorstellung war ausverkauft.
Für mich selber ergaben sich aus der Spielerei noch einige andere Engagements. Regisseure und Schauspieler, die mich gesehen hatten, boten mir Rollen an, und ich hatte keine Hemmungen, sie anzunehmen. Eine tolle schwere Arbeit war der Winston Churchill in „The King's Speech“. 46 Abende hintereinander stand ich neben Götz Otto in der Münchner Komödie im Bayerischen Hof auf der Bühne.
In einem ganz anderen Fach durfte ich mich in Frankfurt versuchen. Wolfgang Kaus vom Frankfurter Volkstheater hatte mich als „Tod" im „Jedermann“ engagiert. 16 Abende spielte ich mit Ralf Bauer auf oft regennassen Brettern, über die ich meinen Sarg zog.
„Auch bei Film und Fernsehen durfte ich kleine Rollen übernehmen. Mit Lambert Hamel spielte ich einen Apotheker, Til Schweiger ließ mich ermorden und im Kardinalsgewand hatte ich besondere Begegnungen. Bei Außenaufnahmen in Rom wollten fromme Italiener meinen Ring küssen.“
Mein vorerst letztes Engagement hatte ich im Januar 2019. Da stand ich neben dem gewaltigen Bassbariton Gunther Emmerlich und der legendären, hinreißenden Fastnachtssängerin Margit Sponheimer in einem Musical über Johannes Gutenberg in Mainz auf der Bühne. Ich musste singen, was bisher nur einer privaten Zuhörerschaft vorbehalten war. Unser Regisseur, Frank Golischewski, schrieb mir knackige, rap-artige Sprechgesänge ins Drehbuch.
Ich rappte und ... zauberte! Zauberte mit Terminen zwischen München und Mainz, Mandat und Musical.